Das Belvédère und die Lichterstrasse

Das Hotel Belvédère ist eine Ikone im Schweizer Alpenraum. Hoch oben auf dem Furkapass thront das ehemalige Hotel seit 1882. Dieses Motiv hatte ich seit drei Jahren im Visier. Inspiriert durch eine ähnliche Fotografie, die mich nie ganz losgelassen hat, wusste ich: Da geht noch mehr. Das Zusammenspiel aus der markanten 180° Kurve, dem historischen Gebäude und der darüberstehenden Milchstrasse schien mir perfekt für ein weiteres Element, dass die Komposition aufwertet. Eine Lichtspur entlang der Strasse.

Doch für dieses Foto gibt es einige planerische Schwierigkeiten. Nur an ein oder zwei Wochenenden im Jahr können die Bedingungen stimmen: Die Milchstrasse steht nur für kurze Zeit ideal über dem Hotel. Der Furkapass muss bereits geöffnet sein. Der Himmel sollte klar sein, idealerweise nach einem Regenschauer, der die Atmosphäre reinigt. Und natürlich die Komposition. All das sind Faktoren, die sich planen lassen. Aber das entscheidende Element, ein Lichtstreifen durch ein vorbeifahrendes Auto aber blieb unvorhersehbar. Würde jemand den Pass um zwei Uhr morgens befahren? Welche Kameraeinstellungen wären ideal? Würde ich unter Umständen nur eine Chance haben?

Mein Wecker klingelte um 00.30 Uhr und ich erwachte in meinem umfunktionierten Familien Kombi. Denn ich übernachtete direkt auf dem Parkplatz beim Hotel. Jedoch hörte ich nicht nur mein ätzendes Smartphone, sondern auch Stimmen, Türen und Motoren. Als ich hinausschaute sind überall Menschen und Lichter. Schon am Vorabend herrschte ein reges Treiben auf dem Parkplatz. Und zu meiner Überraschung war es auch mitten in der Nacht nicht anders. Der Ort ist offenbar ein beliebter Treffpunkt für Autoliebhaber. Einer der Fotografen versuchte gerade, einen giftgrünen Sportwagen mit Blitzlicht dramatisch in der Kurve zu inszenieren, ein aufwändiges Unterfangen, das viele Wiederholungen benötigt. Ich erkannte meine Chance. Im Wechselspiel aus Scheinwerferlicht, Sternenhimmel und umherschwirrenden Fotografen suchte ich meine Komposition. Nach einigen hektischen Versuchen entstand das fehlende Element. Das Licht, die Linie, die Belichtung, alles passte. Ich erkannte nun auf dem Screen mein Bild, dass ich seit Jahren im Kopf hatte.

Ein Bild, das nicht nur den Ort des Geschehens zeigt, sondern auch seine historische Vergangenheit. Mit dem Hotel als stummer Zeuge der Geschichte. Die Kurve als Sinnbild der Bewegung und des Fortschritts in der hektischen Gegenwart und die Milchstraße als das Licht in der Ewigkeit. Für mich ist dieses Foto etwas besonders. Denn in dieser Art der Fotographie kommt es selten vor, dass genau das Foto entsteht, das man geplant hat. Es zeigt mir zudem, dass Geduld, Planung, Leidenschaft und ein wenig Glück manchmal genau das entstehen lässt, was man sich erträumt.

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Der fehlende Stein am Mauensee